Thomas Jarzombek ist bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – und damit der Gegenspieler von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Er hält ihr Zaudern beim Digitalpakt 2.0 für hoch problematisch. Darüber hinaus kritisiert der Düsseldorfer Landesregierungen, die glauben, mit selbst entwickelten Schulplattformen besser zu fahren als mit marktreifen Lösungen. Einfach.Digital.Lernen. (EDL) sprach mit ihm über seine Kritik.
Das wird dann zur Frage der Chancengerechtigkeit: Ob Kinder in der Schule lernen, mit digitalen Medien umzugehen, hängt dann vom Wohnort ab. Denn auf der kommunalen Ebene gibt es das gleiche Problem: In der vergleichsweise wohlhabenden Stadt Düsseldorf sind viel mehr Dinge möglich als zum Beispiel im benachbarten Duisburg oder in anderen Gemeinden des Ruhrgebiets, wo es traditionell finanziell ziemlich knapp ist. Insofern droht die Digitalisierung der Schulen in eine Zweiklassengesellschaft überzugehen, wenn der Digitalpakt 2.0 nicht kommt.
EDL: Was ist denn aus Ihrer Sicht überhaupt Stand der Dinge beim Digitalpakt? Ist eine zufriedenstellende Digitalisierung in den Schulen erreicht oder sind wir noch in der Aufbauphase?
Jarzombek: Bei der Digitalisierung der Schulen wird es wohl nie einen Endpunkt geben, weil es um eine kontinuierliche Entwicklung geht. Es werden immer wieder neue Geräte benötigt, es gibt neue Möglichkeiten, neue Software, die den Unterricht bereichern. Die Lehrer müssen unentwegt fortgebildet werden, weil sich die digitale Welt weiterdreht. Es ist also kein Projekt, bei dem man sagen könnte, wir investieren jetzt mal zwei oder drei Jahre und dann ist da ein Haken dran: fertig und läuft. Es handelt sich um eine Daueraufgabe, die am Ende alle fordert, damit Deutschland nicht den Anschluss verliert.
Wir haben aber mit dem Digitalpakt eine Menge geschafft. Die Mittel sind inzwischen alle verplant, die Ausstattung läuft. Ohne den Digitalpakt wären wir heute noch nicht so weit, auch wenn da natürlich noch eine Menge Luft nach oben ist. Ich sehe insbesondere im Bereich der Anwendung sehr viel Luft nach oben, weil wir uns bisher sehr stark auf die Frage konzentriert haben, was für Geräte gekauft und wie die eingesetzt und gewartet werden sollen. Aber am Ende muss man sich ja auch die Frage stellen, was wollen wir mit digitaler Bildung eigentlich erreichen? Es geht zunächst mal darum, die Kinder und Jugendlichen auf die digitale Welt vorzubereiten, ihnen Medienkompetenz zu vermitteln, zu zeigen, wie funktionieren Algorithmen.
Darüber hinaus ist digitale Technik aber auch ein super Instrument, um in einer Klasse mit sehr starken Leistungsunterschieden individuelles Lernen zu ermöglichen, indem jeder in seinem eigenen Tempo lernen kann. Und, was ich persönlich besonders wichtig finde: dass sich Schülerinnen und Schüler mit digitalen Formaten besser motivieren lassen. Man sieht das bei diesen ganzen Lernspielen, die es draußen gibt. Insofern, glaube ich, ist die Digitalisierung der Schulen eine Riesenchance, gerade bei den Kindern, die aus bildungsfernen Elternhäusern kommen, besseren Lernerfolg zu erreichen.
EDL: Ist es dann nicht eine Vergeudung von Ressourcen, wenn jedes Bundesland für sich eine eigene Bildungsplattform bastelt und dann quasi die Lehrkräfte zu, na ja, Testpersonen für nicht ausgegorene Software macht – statt mal marktreife Lösungen zu setzen. Das Land Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hat sich entschlossen, seine marode Schulplattform Logineo zu sanieren – ohne erhoben zu haben, wie teuer das wird und ob nicht eine kommerzielle Lösung einfach eine bessere wäre. Wie kann das sein?
Jarzombek: Also, ich habe da eine ganz klare Meinung. Ich glaube, dass die öffentliche Hand grundsätzlich keine Software selbst entwickeln sollte, nur in äußersten Ausnahmefällen. Und ich sehe, dass es hier einen Markt gibt von mittelständischen Unternehmen, die Lösungen für Schulen anbieten. Auch bei mir in Düsseldorf sehe ich Schulen, die schon vor Jahren damit begonnen haben, Lernmanagementsysteme zu nutzen. Sie haben diese mit sehr viel Engagement auf die Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler angepasst – und wurden dann irgendwann dazu gezwungen, das vermeintlich kostenlose Logineo zu nutzen. Eine Menge Motivation ist da am Ende kaputt gemacht worden.
Nach letztem Stand braucht Logineo rund 200 Millionen Euro öffentlicher Mittel für die nächsten Jahre. Deshalb ist das natürlich keineswegs eine kostenlose Lösung, sondern ganz schön teuer für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Ich glaube, es macht mehr Sinn, solche Lösungen im Markt zuzukaufen, den Schulen selbst auch die Hoheit zu überlassen, zu entscheiden, was sie eigentlich machen wollen. Ich habe den Eindruck, die Schulen wissen selbst am besten, was sie gebrauchen können. Und wenn man sich vor Ort verschiedene Softwareprodukte anguckt und sich dann für eins entscheidet, dann ist das auch eine Entscheidung, hinter der eine Schule dann auch steht. Alles das, was an Mittelebenen dazwischen ist und kleinteilige Vorschriften macht, das frustriert die Akteure vor Ort. Die müssen wir aber motivieren. Das finde ich wichtig, denn da sind unglaublich engagierte Leute vor Ort und denen sollten wir nicht ständig mit all diesen ganzen Vorgaben Stöckchen in die Speichen stecken, sondern sie einfach mal ein Stück weit machen lassen.