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„Eine Win-Win-Situation für alle“ – wie Azubis Lehrkräfte bei der digitalen Bildung unterstützen

Grundlegende Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien sollen bereits Grundschulkinder erwerben – in fast 20 Städten in Deutschland, mit Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen, helfen dabei mittlerweile Auszubildende. Mit dem Projekt „Azubis an Schulen“ will der Verein ROCKID.one die Medienkompetenzförderung an den Schulen ausbauen. Im Interview mit Einfach.Digital.Lernen. (EDL) erklärt der 1. Vorsitzende Mario Schwarz, wie die Unterstützung in der Praxis funktioniert.

Einfach.Digital.Lernen.: Herr Schwarz, auf der Internetseite Ihres Vereins heißt es, dass ROCKID.one die digitale Transformation an den Schulen voranbringen will. Wie erfolgreich ist Ihr Vorhaben bislang?

Mario Schwarz: Also das Projekt „Azubis an Schulen“ hat vor circa drei Jahren als One-Man-Show begonnen; mittlerweile haben wir etwa 2.500 Schülerinnen und Schüler an knapp fünfzig Schulen in rund 20 Städten mit etwa 150 Azubis betreut. Zu den Schulen gehören vornehmlich Grundschulen. Wir haben aber auch drei Förderschulen dabei und zwei offene Ganztagsschulen.

EDL: Das klingt ziemlich erfolgreich. Was macht das Projekt so attraktiv?

Schwarz: Es ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Denn es ist ja so, dass wir nicht nur die Kinder in ihrer digitalen Entwicklung unterstützen, sondern gleichzeitig auch die Lehrerinnen und Lehrer. Und die Azubis können sich außerbetrieblich weiterentwickeln, ihre sozialen Skills, aber auch ihre kommunikativen Skills schulen. Für sie gibt es vorweg ein Tutorial, wie sie sich im Unterricht zu verhalten haben und wie sie die Kinder didaktisch abholen können. Das Wissen zu den Grundlagen der digitalen Welt, das in der Grundschule relevant ist, bringen die Auszubildenden bereits mit. Wir kanalisieren das dann noch thematisch in enger Anlehnung an den Medienkompetenzrahmen des jeweiligen Bundeslandes. Das heißt, sowohl die Azubis als auch die Lehrkräfte bekommen pro Medienstunde entsprechende Materialien von uns an die Hand. Dafür haben wir glücklicherweise Lehrkräfte verpflichten können, die das Projekt so toll finden, dass sie uns dabei unterstützen. Am Ende erhalten die Azubis von den Lehrkräften einen Feedbackbogen, damit sie sehen können, wie sie sich entwickelt haben. Gerade sind wir zudem dabei, mit öffentlichen Einrichtungen, wie z. B. IHK, eine Bescheinigung oder Urkunde auszuarbeiten, damit die Teilnahme am Projekt noch mal mehr Gewicht bekommt.
Gleichzeitig sehen wir auch die Chance, das Thema Ausbildung wieder mehr in den Fokus zu rücken, es schon frühzeitig in der Grundschule zu platzieren, um das Mindset, auf jeden Fall studieren zu müssen, das so seit etwa 20 Jahren grassiert, ein wenig aufzubrechen.

Mario Schwarz fördert mit seinem Verein ROCKID.one die digitale Bildung an Grundschulen – mit dabei: der Lernroboter Dash. Foto: ROCKID.one

EDL: Wie funktioniert das Projekt in der Praxis?

Schwarz: Wichtig für uns ist, dass wir kontinuierlich in den Schulklassen sind. Das Projekt läuft daher über einen Zeitraum von acht bis zwölf Wochen. Die Azubis sind in der Regel jeweils zu zweit eine Stunde pro Woche vor Ort. Die Unterrichtseinheiten setzen sie immer im Verbund mit einer Lehrkraft um. Während die Azubis die fachliche Verantwortung tragen und sich um das Projektmanagement kümmern, hat die Lehrkraft die pädagogischen Rahmenbedingungen im Fokus.
Im Unterricht steht dann jeweils eine Geschichte im Mittelpunkt, die das jeweilige Thema aufgreift, zum Beispiel Lernrobotik. Da geht es darum, einem Freund zu helfen, der ein total fauler Kerl ist, am liebsten den ganzen Tag Playstation zocken will und keine Lust hat, aufzuräumen. Die Kinder sind aufgefordert, Lösungsideen zu sammeln, wie sich das umsetzen lässt. Sobald sie vorschlagen, einen Roboter dafür zu nutzen, schließen sich weitere Fragen an: Wie können wir das machen? Was brauchen wir dafür? Das setzt sich so fort, bis die Kinder in die Anwendung kommen und mit den Lernrobotern arbeiten, die der Verein dafür angeschafft hat und zur Verfügung stellt. Mit ihnen lernen die Kinder das Programmieren am Rechner. Dass sie den Effekt ihrer Programmierung direkt im Verhalten des Roboters erkennen können, finden sie megagut. An diesem Beispiel lässt sich auch sehr schön erklären, wie wir weitere Medienkompetenzen fördern: Wenn ich einen Lernroboter steuern möchte, muss ich wissen, was ich dafür brauche, zum Beispiel eine App. Da stellt sich die Frage: „Wie komme ich an eine App?“ Durchs Internet. Und was muss ich beachten, wenn ich im Internet unterwegs bin? So verbinden wir verschiedene Lerninhalte mit einem Thema.

EDL: An welche Jahrgangsstufe richtet sich das Projekt?

Schwarz: Der Fokus liegt auf den dritten und vierten Klassen. Das hängt damit zusammen, dass wir die Kinder ein Stück auf die weiterführende Schule vorbereiten wollen: zum einen, indem wir sie für Technik und Digitales begeistern, zum anderen, indem wir sie im Umgang mit dem Internet und den sozialen Medien schulen und für die jeweiligen Gefahren sensibilisieren.

EDL: Wie können Schulen das Projekt in ihren Unterricht holen?

Schwarz: Interessierte Schulen können sich bei uns melden; je früher, desto besser, dann können wir entsprechend planen. Gleiches gilt für Unternehmen, die sich beteiligen wollen. Aktuell arbeiten wir an der Umsetzung im nächsten Schulhalbjahr. Wir wollen weitere Unternehmen und Azubis gewinnen, um die Schulen, die schon im Projekt sind, umfassender versorgen zu können. Bei manchen konnten wir den Medienunterricht bislang nur in einer Klasse anbieten, weil uns Azubis fehlten. Wir kontaktieren dafür die Unternehmen und laden sie zu Webinaren ein, um das Projekt vorzustellen. Das ist unsere erste Bestrebung, danach wollen wir schauen, ob wir weitere Schulen aufnehmen können, eventuell noch zum nächsten Schulhalbjahr oder dann zum nächsten Schuljahr ab Oktober 23.

Wir möchten das Projekt gerne bundesweit ausrollen. […] Das bedeutet allerdings, dass wir in jedem Bundesland das Schulministerium oder das Wirtschaftsministerium an der Seite brauchen oder andere Institutionen.

EDL: Sie organisieren, koordinieren, erstellen Lerninhalte und schaffen Lernmaterialien an. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das alles noch als One-Man-Show bewerkstelligen lässt.

Schwarz: Das war genau der Grund, letztes Jahr im Sommer den Verein zu gründen. Wir sind jetzt sieben Mitglieder, drei arbeiten effektiv im Projekt. Trotzdem kommen wir so langsam an unsere Kapazitätsgrenze. Die Katze beißt sich hier leider in den Schwanz: Einerseits brauchen wir mehr Reichweite, um irgendwann zum Beispiel vom Schulministerium oder anderen öffentlichen Einrichtungen mehr Aufmerksamkeit in Form von Fördermitteln zu bekommen, andererseits fehlen die Mittel für das Personal, um weiteres Wachstum zu ermöglichen.

EDL: Wie finanziert sich das Projekt bislang?

Schwarz: Momentan leben wir von Sponsoren und Stiftungen, darunter auch einige größere wie zum Beispiel die Trützschler-Foundation aus Mönchengladbach, die Marga und Walter Boll-Stiftung und die Fritz-Henkel-Stiftung. Mit diesen Mitteln haben wir die Möglichkeit, ein Projekt anzuschubsen und in eine gewisse Breite zu bringen. Das soll im Prinzip eine Startrampe sein.

EDL: Wie soll es in Zukunft weitergehen?

Schwarz: Wir möchten das Projekt gerne bundesweit ausrollen. Unsere Pläne für die Zukunft sehen so aus, dass wir mittelfristig, so in den nächsten zwei, drei Jahren in jedem Bundesland vertreten sein wollen. In den nächsten fünf Jahren haben wir uns zum Ziel gesetzt, vierzig Prozent aller Grundschulen bundesweit in das Projekt aufzunehmen. Das bedeutet allerdings, dass wir in jedem Bundesland das Schulministerium oder das Wirtschaftsministerium an der Seite brauchen oder andere Institutionen, die sich entscheiden, das Projekt nachhaltig zu unterstützen – nur so ist es langfristig realisierbar. Parallel dazu, um ein wenig unabhängiger von öffentlichen Geldgebern zu werden, wollen wir eine Unternehmung gründen, die den Verein finanziell stützt. Dabei wollen wir uns auch wieder auf Inhalte rund um die Themen Bildung, Ausbildung und Digitales konzentrieren. Zum Beispiel denken wir daran, Makerspaces zu schaffen, die das Thema Ausbildung in den Vordergrund rücken. Das sollen Orte des Erlebens und des Lernens werden, ganz nach dem Motto „Leerstand wird Lehrstand“.

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