Illustration eines Mannes, der die Seite eines Cursor-Pfeils zur Flagge an der Spitze hinaufläuft.
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„Uns geht es darum, Lehrkräfte fit für die Digitalisierung zu machen“ – Ein Interview mit Goran Hauser

Die Corona-Pandemie hat infolge der Schulschließungen unerwartet viel Technik in die Schulen in Deutschland gespült, um Distanzunterricht zu ermöglichen. Zurück in Präsenz reicht die bloße Ausstattung der Lehrkräfte und Schüler*innen mit Hard- und Software allerdings nicht aus, um digitalgestützten Unterricht zu fördern. Eine weitere Voraussetzung: Die Lehrpersonen müssen in der Lage sein, die Technik pädagogisch sinnvoll in ihren Unterricht einzubinden. An diesem Punkt setzt das kostenfreie Bildungsprogramm „Intel®Skills for Innovation“ an – mit vollständig ausgearbeiteten Unterrichtseinheiten und einem umfangreichen modular-aufgebauten On-Demand Fortbildungskurs. Im Interview mit Einfach.Digital.Lernen (EDL) erklärt Goran Hauser, Education Lead bei Intel und damit für den Bereich Bildung verantwortlich, wie Lehrkräfte das Bildungsprogramm nutzen können und wie Deutschland – mit Blick auf das Vorgehen anderer Länder – die schulische Digitalisierung effektiv voranbringen könnte.

Einfach.Digital.Lernen.: Herr Hauser, Sie sind seit über 15 Jahren im Bildungsbereich aktiv, seit 2019 für Intel. Ich möchte an Ihre Erfahrung anschließen und mit einer grundsätzlichen Frage ins Thema einzusteigen: Wie bewerten Sie die Aussage, Corona habe der schulischen Digitalisierung einen Schub verpasst?

Goran Hauser: Die Frage lautet doch eigentlich: In welchen Bereichen gab es konkret einen Schub? Der Digitalpakt sollte sicherstellen, dass zuerst die notwendige Infrastruktur aufgebaut wird, bevor man über Endgeräten für Schüler und Lehrkräfte spricht. Bedingt durch die Corona-Pandemie wurde das allerdings ad absurdum geführt, als der Digitalpakt um zwei Zusatzvereinbarungen erweitert wurde, mit denen Lehrerdienstgeräte und Schülerendgeräte angeschafft werden konnten (mehr zu diesem Thema lesen Sie hier auf EDL; Anm. d. Red.). Das hat dafür gesorgt, dass zwar viel IT in die Schulen gekommen ist, aber die Digitalisierung als solche wurde damit nicht angeschoben, im Gegenteil. Das sehen wir ja auch am aktuellen immer noch sehr geringen Mittelabfluss beim Digitalpakt. Was fehlte und weiterhin fehlt ist eine nachhaltige Lehrkräftefortbildung. Somit kommt viel Technik und IT in die Hände von Personen, die A sich damit nicht beschäftigen können oder wollen aufgrund Zeitmangels, B nichts davon im Unterricht integrieren können aufgrund nicht-vorhandener Konzepte und C als Laie sich selbstständig um eine ganze Menge IT kümmern sollen. Das ist mal wieder „typisch deutsch“: Ganz nach dem Motto „viel Geld hilft viel“.


Ein Porträtbild von Goran Hauser, Education Lead bei Intel.

Es ist an der Zeit, dass Thema ganzheitlicher zu betrachten und in eine Professionalisierung der Strukturen zu kommen.

– Goran Hauser ist diplomierter Staats- und Sozialwissenschaftler und seit über 15 Jahren im Bildungsbereich aktiv, seit 2019 als Education Lead bei Intel.

Einfach.Digital.Lernen.: Inwiefern passt in diese Lücke, die Sie gerade im Bereich der Lehrkräftefortbildung beschrieben haben, das Intel-Bildungsprogramm „Skills for Innovation“, auf das Lehrkräfte in Deutschland kostenfrei Zugriff haben?

Hauser: Schon seit über drei Dekaden ist Intel im Bildungsbereich global aktiv. Intel stellt nicht nur Komponenten für PCs und Server her, sondern unterstützt und berät Regierungen im Bildungsbereich bezüglich der schulischen Digitalisierung und sucht gemeinsam mit ihnen nach umsetzbaren Lösungen. Von 1999 bis 2013 hat die Intel Foundation beispielsweise eine Milliarde Dollar für das weltweite Programm „Intel Teach“ bereitgestellt, das es auch in Deutschland gab, mit dem Ziel, durch die Fortbildung von Multiplikatoren die Lehrkräfte von der analogen in die digitale Welt mitzunehmen. Das hat in vielen Ländern dazu geführt, dass die jeweiligen Regierungen dank der nun bereits vorhandenen digitalen Kompetenzen der Lehrkräfte auch in die Digitalisierung des Bildungssystems investiert haben. „Intel® Skills for Innovation“ ist sozusagen das Nachfolgeprogramm. Es zielt darauf ab, Schüler*innen zu unterstützen, die 21st Century Skills (mehr dazu im Infokasten; Anm. d. Red.) auszubilden. Lehrkräften hilft dabei unser neues Programm, das wir 2021 gelauncht haben. Es ist ein weltweites Programm, das in vielen Ländern in unterschiedlichen Nuancen bereits umgesetzt wird. Die einen fangen mit den vorgefertigten Unterrichtspaketen oder auf Englisch „Starter Packs“ an, die beispielhaft aufzeigen, wie sich digitale Technologie im Unterricht pädagogisch und didaktisch sinnvoll nutzen lässt, um die 21st Century Skills im Rahmen eines bestimmten Themas zu entwickeln. Die anderen steigen direkt tiefer ein und nutzen die modular-aufgebaute Online-Lehrkräftefortbildung. Man kann sich den wie ein riesiges Lernbuffet mit über 80 Stunden On-Demand-Material vorstellen. Jeder kann sich die Module der Fortbildung heraussuchen, die zu den persönlichen Kompetenzen passen. Das Wichtigste dabei: Uns geht es nicht um einen Produktverkauf. Ich kann auf die Inhalte zugreifen, ganz egal, ob ich ein Tablet, ein Notebook, ein Convertible, einen klassischen PC oder eine interaktive Tafel einsetze. Uns geht es darum, Lehrkräfte fit zu machen für die Digitalisierung, damit sie in der Lage sind, ihren Schüler*innen die 21st Century Skills an die Hand zu geben. Das ist der Hauptfokus dieses Programmes.


21st Century Skills

„Die wachsende Komplexität des modernen Lebens – für den Einzelnen und für Gemeinschaften – bedeutet, dass auch die Lösungen für unsere Probleme komplexer sein werden“, schreibt Andreas Schleicher, Direktor für Bildung und Kompetenzen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Vorwort zum OECD Lernkompass 2030. Dieses Rahmenkonzept zum Lernen wurde in internationaler Zusammenarbeit von Verantwortlichen der OECD-Staaten aus Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft erarbeitet. Das Ziel: gemeinsame Bildungsziele für das 21. Jahrhundert zu entwickeln, die es Schüler*innen ermöglichen, auf die noch ungeahnten Herausforderungen der Gegenwart sowie der Zukunft vorbereitet zu sein. Herauskristallisiert haben sich die sogenannten 4K:

  • Kritisches Denken,
  • Kollaboration,
  • Kommunikation und
  • Kreativität.

Einfach.Digital.Lernen.: Heißt das, es ist im Grunde egal, auf welchem Lernstand eine Lernkraft ist, der Selbstlernkurs bietet Inhalte sowohl für Anfänger*innen als auch Fortgeschrittene?

Hauser: Richtig; wir haben vier Stufen, wobei es Stufe 1 nur in Deutschland gibt, weil Deutschland bei der Digitalisierung des Unterrichts im internationalen Vergleich fünf bis zehn Jahre hinter allen anderen Ländern zurückliegt. Die Stufe 1 dient dazu, die Lehrkraft da abzuholen, wo sie zumeist in Deutschland steht – und das ist ganz am Anfang: Welchen Sinn hat und welche Rolle spielt Digitalisierung im Unterricht? Wie funktioniert ein Endgerät? Welche Tools eignen sich für Kollaboration, Kommunikation und Präsentation? Wir stellen hierbei exemplarisch die aktuell in Deutschland am häufigsten eingesetzten Produktivitäts-Tools dar. Bei den Videokonferenz-Lösungen stellen wir zum Beispiel neben Microsoft Teams auch BigBlueButton vor. Das bedeutet, dass wir auch hier klar die Umsetzung der Digitalisierung im Vordergrund sehen anstelle typischer Produktwerbung.

Einfach.Digital.Lernen.: Und die Unterrichtspakete lassen sich vom Fleck weg nutzen?

Hauser: Ja, die verstehe sogar ich. Die Unterrichtspakete oder „Starter Packs“ im Englischen sind zumeist auf 45 bis 120 Minuten ausgelegt und bestehen aus einer Handreichung für Lehrkräfte sowie Arbeitsmaterial, das im Unterricht präsentiert werden kann, um die Aufgabenstellung darzustellen und die Diskussion anzuleiten. Die Handreichung für die Lehrkräfte ist minutiös aufgebaut. Sie definiert die Zielgruppe, für die sich das Unterrichtspaket eignet – ob Primarstufe, Sek I oder Sek 2 –, beschreibt das Themengebiet, die angesprochenen Kompetenzen und die Lernziele, die im Rahmen der Einheit erreicht werden sollen. Zusätzlich gibt es einen Aktivitätsleitfaden, der aufzeigt, wann welches Material zum Einsatz kommt, inklusive Troubleshooting, also Tipps, warum zum Beispiel die Software gerade nicht funktioniert und wie sich das Problem beheben lässt. Das Letzte, was diese Unterrichtspakete ausmacht, ist die enthaltene Bewertungsmatrix. Sie unterstützt die Lehrkräfte, die Leistungen der Schüler im Kontext des Unterrichtpakets einzuschätzen. Sprich: Es ist alles da; ein Rundumpaket, dass Lehrkräfte schnell und einfach einsetzen können.

Die Unterrichtspakete und der On-Demand-Fortbildungskurs wurden von Pädagogen für Pädagogen erstellt.

Goran Hauser, Education Lead bei Intel

Einfach.Digital.Lernen.: Wer war an der Entwicklung dieser Unterrichtspakete beteiligt?

Hauser: Wir haben in Singapur, das ja führend beim Thema Digitalisierung ist, eine Agentur sitzen, die sich aus weltweiten Lehrkräften zusammensetzt. Diese Lehrkräfte haben das Material gemeinsam erstellt und jeweils ihre Sicht eingebracht. Darunter waren auch deutsche Lehrkräfte, die an internationalen oder deutschen Auslandschulen, unter anderem in Singapur, tätig sind. Die Unterrichtspakete und der On-Demand-Fortbildungskurs wurden also von Pädagogen für Pädagogen erstellt.

Einfach.Digital.Lernen.: Sie haben den Überblick, wie andere Länder die schulischen Digitalisierung voranbringen. Im Vergleich mit diesen: Was sind die nächsten notwendigen Schritte, die wir in Deutschland gehen sollten?

Hauser: Wo fängt man da am besten an? Ich glaube, wir sollten aufhören, unnötig Zeit und Geld für Machbarkeitsstudien, Ergebnisse und Evaluationen zu verschwenden, die aus vielen, vielen anderen Ländern bereits vorliegen. Ich glaube, was das Lernen betrifft, sind alle Kinder auf der Welt mehr oder weniger gleich. Außerdem ist es an der Zeit, dass Thema ganzheitlicher zu betrachten und in eine Professionalisierung der Strukturen zu kommen. Heißt: Es braucht aus- und nachhaltig fortgebildete Lehrkräfte als auch Schulleitungen, die wissen, wie sie die Digitalisierung pädagogisch und auch administrativ sinnvoll nutzen, um Schüler*innen zu aktivieren, motivieren, das Bestmögliche aus ihnen herauskitzeln und sie auf die heutige Lebens- und Arbeitswelt, nicht mal die von morgen, vorzubereiten. Notwendig ist aber auch eine nachhaltige und dauerhafte Finanzierung der Schülergeräte, Lehrergeräte und allgemeinen IT-Infrastruktur. Und es braucht, ähnlich wie es bei Industrieunternehmen die Normalität ist, eine professionell aufgestellte IT-Infrastruktur, die zum größten Teil standardisiert sein sollte, aber auch Raum für bedarfsorientierte Ausstattung lässt, samt den damit einhergehenden Service- und Supportprozessen. Da sich Schul-IT komplexer darstellt als jede Mittelstands-IT-Infrastruktur sollten das IT-Profis umsetzen und nicht wie aktuell dieser zusätzliche Workload auf Lehrkräfte, Hausmeister und Verwaltungsangestellte obendrauf gepackt werden. Das sind so die Hauptstellschrauben, um erst mal ein stabiles Fundament zu schaffen, auf dem dann ernsthaft aufgebaut werden kann.

Einfach.Digital.Lernen.: Sie haben selbst Kinder im Schulsystem. Was wünschen Sie sich: Was sollten Ihre Kinder mit Blick auf die immer digitaler werdende Welt lernen?

Hauser: Ich wünsche mir für meine Kinder, dass das Thema „Künstliche Intelligenz“ schon frühzeitig Eingang in das Curriculum findet, und zwar in der Form, dass Schüler lernen, was KI ist, was sie kann und was sie nicht kann, damit sie die Risiken und den Nutzen verstehen, die mit dem Einsatz dieser Technologie verbunden sind. KI ist eine Querschnittstechnologie und jeder von uns ist in irgendeiner Form in Kontakt damit gekommen. Daher muss es das Ziel sein, dieses relevante Thema frühzeitig für eine breite Masse zu demokratisieren und auch zu entmystifizieren, damit Demokratie, Sicherheit, Freiheit und Wohlstand auch weiterhin in unserer eigenen Hand liegen und wir nicht von Dritten fremdgesteuert werden. Der andere ist, dass sie lernen, wie man eine Technologie wie die KI zum Guten nutzen kann, um aktuelle oder zukünftige Probleme unserer Gesellschaft zu lösen. Das unterstützen wir von Intel ebenfalls mit unserem Bildungsprogramm „Intel® AI For Youth“. Andere Länder sind Deutschland da auch wieder deutlich voraus. In Indien gehört KI seit zwei Jahren zum Curriculum ab der achten Klasse. In Südkorea ist es genauso. Unser Nachbarland Polen nutzt seit zwei Jahren das erwähnte Intel-Programm. Dort wurde eine Vielzahl an Lehrkräften und Schüler*innen geschult, um das Thema in über 400 AI-Laboren umzusetzen. Ich würde mir wünschen wollen, dass Schüler*innen mit den Fertigkeiten und Kompetenzen ausgestattet werden, die sie für das Leben und Arbeiten in einer zunehmend digital geprägten Welt benötigen. Insbesondere sollten Themen, die sich nachhaltig auf die Zukunft des Standorts Deutschland auswirken, schneller ins Curriculum implementiert werden.


Zu den Intel-Bildungsprogrammen

Interessierte Lehrkräfte können sich direkt unter www.intel.com/sfi für das Programm „Intel® Skills for Innovation“ (mit dem Verifizierungscode: IntelSFI) registrieren und die vielfältigen Lehr- und Lernmöglichkeiten kostenfrei nutzen. Den On-Demand-Kurs „Intel® AI For Youth – KI für Einsteiger“ finden Lehrer*innen im Angebot von BildungsRebell (https://bildungsrebell.de/trainingscamp/ki_fuer_einsteiger/). Der niedrigschwellige Einstieg in die Künstliche Intelligenz ist ebenfalls kostenfrei und nach Abschluss mit einem offiziellen Fortbildungszertifikat verbunden.